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Ottensener Verschönerung - Verein zum Andenken an den
früheren Bürgermeister Behn, unter dessen Verwaltung
die Allee angelegt wurde, errichtet ist. Etwas weiter
Lstlich liegt der Platz, auf dem im Jahre 1871 die
Friedenseiche gepflanzt ist. An der Ecke der Gerichtsstraße
und der Allee befindet sich das Gerichts- oder Justiz-
gebäude mit dem Gesängnis. Weiter entlang treffen wir
das Helenenstift, ebenfalls an der Nordseite der Allee ge-
legen. Die daselbst wohnenden Krankenpflegerinnen des vater-
ländischen Frauenvereins, kenntlich an ihrem grauen Kleide
im Gegensatz zu dem schwarzen Gewände der Diakonissen,
übernehmen die Pflege von Kranken in Privathäusern. Das
Gebäude führt seinen Namen nach der Frau Etatsrat Helene
Donner, die es auf ihre Kosten hat erbauen lassen. Gegen-
über liegt das städtische Krankenhaus. In dem geräumigen
Garten desselben ist eine Anzahl von Baracken erbaut. An
der Victoria- und Zeisestraße sehen wir die Kasernen d. h.
Gebäude, in welchen die Soldaten wohnen. In unserer Stadt
liegt das erste Thüringische Jnfanterie-Regiment Nr. 31.
(Infanterie — Soldaten zu Fuß). Das Militär, welches sich
dauernd in einer Stadt befindet, nennt man die Besatzung
oder die Garnison dieser Stadt; diese ist der Garnisonsort.
Nördlich von den Kasernen ist die Holstenbrauerei.
9.
Der Norderteil.
Der Norderteil grenzt im S. an die große Rosenstraße
und Gählers Platz, im W. an die Holstenstraße und die
Pinneberger Chaussee, im N. an Langenfelder und im O. an
Hamburger Gebiet. Richtung der Straßen! Von der großen
Rosenstraße gehen nach N. ab: die Bleicher-, die Adolf- und
die Adlerstraße. An der Ostseite der Bleicherstraße liegt die
Hufbeschlagschule, eine Anstalt sür Schmiede, die hier einen
guten Hufbeschlag lernen. Die Fortsetzung der Adolfstraße
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Namens Baur, den beiden Städten Altona und Ottensen
schenkte, erbaut ist. Dieser edle Mann vermachte den beiden
Städten sein ganzes bedeutendes Vermögen zur besseren Er-
ziehung der armen christlichen Jugend, besonders in den
ersten Lebensjahren. An der Weidenstraße, zwischen der
Schauenburger- und der großen Bergstraße, liegt das Schul-
Haus der 1. Mädchen-, und an der Schaueuburgerstraße,
zwischen Weiden- und Steinstraße, das der 1. Knaben-
Mittelschule, letzterem gegenüber ein Volksschulgebäude.
An der Blumenstraße, zwischen Weiden- und Steinstraße, be-
findet sich das evangelische Vereinshaus und daneben
weiter nach O. die Speiseanstalt, in welcher in bedrängten
Zeiten für arme Leute nahrhafte Speisen bereitet werden.
Der Anstalt gegenüber, an der Südseite der Straße, liegt das
Kinderhospital der Diakonissenanstalt. Diese ist an
der Ecke der Blumen- und Steinstraße erbaut. Hier werden
christliche Jungfrauen und Witwen für den Dienst der Kranken-
pflege herangebildet. Daher ist mit der Anstalt ein Kranken-
haus verbunden. Zu ihr gehört auch das Augustenstift
an der Steinstraße, in welchem altersschwache und gebrechliche
weibliche Personen verpflegt werden. Ferner unterhält die
Diakonissenanstalt eine Warteschule und eine „Krippe" in
einem Gebäude an der Gerberstraße. Die sog. Krippe gewährt
Kindern im Alter von sechs Wochen bis zu zwei Jahren von
morgens bis abends freundliche Aufnahme und treue Pflege.
An der großen Bergstraße, zwischen Bürger- und Unzerstraße,
liegt das Altonaer Kinderhospital. Gehen wir die große
Bergstraße in westlicher Richtung zuende, so treffen wir an
der Ecke der Allee die Navigationsschule, wo solche Leute,
welche sich dem Seemannsberufe widmen, in allem unterrichtet
werden, was zur Kunst der Schiffahrt erforderlich ist. An
dieser Stelle ändert die Allee ihre Richtung; sie verläuft von
hier aus nach S. Biegen wir nordostwärts in die Allee
hinein, so sehen wir auf dem Platze vor der Göthestraße den
Behnbrunnen, einen Springbrunnen, der vom Altona-
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38
15. D ie Reue.
Ein Landmann hatte mit eigenen Händen eine Reihe edler
Obstbäume gezogen. Zu seiner großen Freude trugen sie die
ersten Früchte und er war begierig zu sehen, von welcher Art
sie sein möchten.
Da kam der Sohn des Nachbars, ein böser Bube, in
den Garten und lockte den Sohn des Landmanns, also daß sie
hingingen und die Bäumchen allesammt ihrer Früchte beraubten,
ehe denn sie völlig gereift waren.
Als nun der Herr des Gartens herzutrat und die kahlen
Bäumchen erblickte, da ward er sehr bekümmert und rief: Ach,
warum hat man mir das gethan? Böse Buben haben mir
meine Freude verdorben!
Diese Worte gingen dem Söhnlein des Landmanns sehr
zu Herzen, und er lief zu dem Sohne des Nachbars und sprach:
Ach, mein Vater ist bekümmert um die That, welche wir
verübt haben. Nun hab' ich keine Ruhe mehr in meinem Ge-
müthe. Mein Vater wird mich nicht mehr lieben, sondern mit
Verachtung strafen, wie ich verdient habe.
Da antwortete jener: Du Thor, dein Vater weiß es ja
nicht und wird es niemals erfahren. Du mußt es ihm sorg-
fältig verhehlen und auf deiner Hut sein.
Als aber Gotthold, — denn so hieß der Knabe —- zu
Hause kam, und das freundliche Antlitz seines Vaters sah, da
vermochte er nicht, wieder freundlich zu ihm hinaufzusehen.
Denn er dachte, wie soll ich ihn fröhlich ansehen können, den
ich betrübt habe? Kann ich doch mich selber nicht anblicken.
Es liegt mir wie ein dunkler Schatten in meinem Herzen.
Jetzt trat der Vater herzu und reichte jeglichem seiner
Kinder von den Früchten des Herbstes, und Gotthold desgleichen.
Da hüpften die Kinder herbei und fteuten sich sehr und aßen.
Gotthold aber verbarg sein Angesicht und weinte bitterlich.
Da hub der Vater an und sprach: Mein Kind, was
weinest Du? — Und Gotthold antwortete: Ach! ich bin nicht
werth, daß ich Dein Kind heiße. Ich kann es nicht länger
tragen, daß ich vor Dir ein anderer erscheine, als ich bin und
mich selbst erkenne. Lieber Vater, thue mir ferner nicht mehr
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107
56. Die Krone des Alters.
Wen der Schöpfer ehrt, warum sollen den nicht auch die
Menschen ehren? Auf des Verständigen und Tugendhaften
Haupte ist graues Haar eine schöne Krone.
Drei Greise feierten zusammen ihr Jubelfest und erzählten
ihren Kindern, woher sie so alt geworden. Der Eine, ein Leh-
rer und Priester, sprach: „Nie kümmerte mich, wenn ich zu
lehren ausging, die Länge des Weges, nie schritt ich anmaßend
über die Häupter der Jugend hinweg, und hob die Hände nie
auf zum Segnen, ohne daß ich wirklich segnete und Gott lobte;
darum bin ich so alt geworden." Der Andere, ein Kaufmann,
sagte: „Nie habe ich mich mit meines Nächsten Schaden be-
reichert; nie ist sein Fluch mit mir zu Bette gegangen; darum
hat mir Gott die Jahre geschenkt." Der Dritte, ein Richter
des Volkes, sprach: „Nie nahm ich Geschenke; nie bestand ich
starr auf meinem Sinn; im Schwersten suchte ich mich jederzeit
zuerst zu überwinden; darum hat mich Gott mit einem Alter
gesegnet." — Da traten ihre Söhne und Enkel zu ihnen, küß-
ten ihre Hände und kränzten ihr Haupt mit Blumen, llnb
die Väter segneten sie und sprachen:
„Wie Euere Jugend, sei auch Euer Alter! Eure Kinder
seien Euch, was Ihr uns seid: auf unserm greisen Haare eine
blühende Rosenkrone."
Das Alter ist eine schöne Krone; man findet sie nur auf
dem Wege der Mäßigkeit, der Gerechtigkeit und Weisheit!
Herder.
57. Die Pfeife.
Als ich ein Knabe von sieben Jahren war, füllten mir einst,
an einem Feiertage, meine Verwandten die Taschen mit Kupfer-
münze.- Ich wußte nun nichts eiliger zu thun, als damit nach
einem Kaufladen zu gehen, wo man Kinderspielwaaren verkaufte.
Schon auf dem Wege dahin begegnete ich aber einem andern
Knaben mit einer Pfeife, deren Ton mir so wohl gefiel, daß ich
ihm freiwillig all' mein Geld dafür bot. Vergnügt über mei-
nen Handel eilte ich wieder heim, und durchzog pfeifend das
ganze Haus, denn meine Pfeife machte mir eben so viele Freude,
als ich damit die ganze Familie belästigte. Als meine Brüder,
Schwestern, Vettern und Basen von meinem Handel hörten.
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111
Bauern-Ader aufschnitte, müßt' er sich zu Tode bluten. Ist das
Geld die Braut, so taugt die Ehe selten. Tritt der Kummer
in's Haus, fliegt die Liebe zum Fenster hinaus. Ich achte nicht
des Mondes Schein, so mir die Sonne will gnädig sein. Wenn
der Sack kommt, wirft man den Beutel hinter die Kiste. Hast
du nicht Pfeile im Kocher, so wage dich nicht unter die Schützen.
— Einsamkeit ein' schwere Last, wenn du Gott nicht bei dir
hast. Du mußt dem Teufel die Herberge aufkünden, wenn
Gott bei dir wohnen soll. Wenn die Noth am gr'ößesten, ist
Gottes Hülfe am nächsten. Am jüngsten Tage wird's geschaut,
was Mancher hier für Bier gebraut.
Als noch der Mensch nicht in die Ferne sah, da blühte
seine goldne Zeit. Schiller. — Vergiß des Armen nicht,
wenn du einen fröhlichen Tag hast. Luther. — Verzage
nicht, wenn in der höchsten Noth der Hoffnung letzte Sterne
schwinden. Wieland. — Von Andern sagt ein Biedermann
das Böse, wenn er muß, das Gute, wenn er kann. —
Tadeln ist des weisen Alters Recht, wenn sich die rasche Jugend
kühn vergißt. Schiller. — Wenn das schauernde Herz so ent-
blättert ist und nackt dasteht, dann ist jedes Lüftchen ein kaltes.
I. Paul. — Darfst du an deinen Vortheil denken, wenn du
dem gemeinen Besten Opfer schuldig bist? Reinhard. — Allen
gefallen ist schwer, wenn man was Großes beginnt. Solon.—
Wenn's an zu dämmern fängt, so ist der Tag nicht ferne; deß
tröst' ich mich, wenn ich was Schwerbegriffnes lerne. Rückert.
— Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung
bittet, oder selber verzeiht. I. Paul.
Die Würde der Menschheit wird an dir sichtbar, sobald
du deine Lippen öffnest. Reinhard. — Viele treten einen
Schritt zurück, sobald sie sehen, daß dich das Glück anlächelt.
Knigge. — Dem Selbstsüchtigen ist Nichts ehrwürdig, Nichts
heilig, sobald es auf die Befriedigung seiner Wünsche ankommt.
Reinhard. — So oft der Frühling wiederkehrt, ertönen neue
Freudenlieder. Herder. —
Kaum haben wir einen Wunsch erreicht, so tauchen wieder
andere auf.
Reicht einander doch die Hände, eh' die Gruft euch an
einander drängt! Tiedge. — Ehe wir selbst denken, müssen
wir erst Andern nachdenken lernen. — Man soll Alles genau
prüfen, bevor man einen Ausspruch thut. — Argwohn riecht den
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115
Der Selbstsüchtige hat keinen Freund, und kann keinen haben,
weil Niemand vor ihm sicher ist. — Die Menge der Stolzen
ist deßhalb so groß, weil aller Stolz aus der Eigenliebe fließt.
— Die Kindheit und das Alter kommen mir gleich ehrwürdig
vor; jene, weil sie so eben erst aus den Händen Gottes zu
kommen scheint; dieses, weil es dahin zurückkehrt. Jacobs. —
Der Wille soll unsern Einsichten unterworfen sein, weil wir
Nichts ohne Grund wollen können. -— Viele herrschen,
weil sie nicht regieren können. Seume. — Menschlich
sind eure Gefühle gegen Andere selbst dann noch nicht, wenn
ihr zwar mitleidig und gütig, zwar nachgiebig und
freundlich verfahret, aber nicht aus Grundsatz, sondern aus
Weichherzigkeit; nicht weil es Pflicht ist, sondern weil ihr euch
von jedem Eindrücke überwältigen lasset; nicht weil ihr mit
Überlegung handelt, sondern weil ihr Schwächlinge seid, aus
denen man machen kann, was man will. Reinhard. — Weil
nichts Bestehendes vollkommen ist, so ist das höchste Darstell-
bare der Fortschritt. Dahlmann.
6. Da Gott das Leben gegeben, so wird er auch das
dazu Nöthige geben.
6. Man heizt den Ofen nur, damit er wieder wärme. —
Gott hat die Geheimnisse der Zukunft für den Menschen in
undurchdringliche Schatten gelegt, damit der Raupe in ihrer
Hülle wohl sei. Pestalozzi.
Etwas fürchten und hoffen und sorgen
Muß der Mensch für den kommenden Morgen,
Daß er die Schwere des Schicksals ertrage
Und das ermüdende Gleichmaß der Tage,
Und mit erfrischenden Windesweben
Kräuselnd bewege daö stockende Leben. Schiller.
Man muß die Tugend üben, um sie zu kennen. Enthülle
nie auf unedle Art die Schwächen deiner Nebenmenschen, um
dich zu erheben! Ziehe nicht ihre Fehler und Verirrungen an
das Tageslicht, um auf ihre Kosten zu schimmern. Knigge. —
Lebe, um zu lernen, lerne, um zu leben. Vom Himmel müssen
wir das Licht erlangen, um unser Geschlecht zu humanisiren, um
zu den höheren Zuständen der Bildung die verborgenen Pfade
zu finden. — Wir sterben, um zu leben. Hölderlin.
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Zweite Abtheilung.
Die Vögel singen nicht egal;
Der singet laut, der andre leise;
Der Hänfling singet nicht wie eine Nachtigall,
Ein jeder hat so seine Weise.
a.
Gibt cs wol eine schönere, unsers glühendsten Danlcs wür-
digere Himmelsgabe, als eine Familie zu besitzen, ein Hcimwescn,
wo die Tugend, wo Anmuth und Freude Alltagsgäste sind, wo
Herz und Auge sich sonnen an einer Licbeswelt, wo der Gedanke
chclcbt und aufgeklärt wird, wo die Freunde nicht bloß mit Worten,
sondern mit Handlungen zu einander sagen: »Deine Freude, deine
Sorge, deine Hoffnung, dein Gebet sind auch die meinigen.
Friederike Bremer.
Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen. Josua.
Möge Jeder still beglückt
Seiner Freuden warten!
Wenn die Rose selbst sich schmückt,
Schmückt sie auch den Garten.
Rückcrt.
67. Z i m m e r s p r u ch.
Das neue Haus ist aufgericht't.
Gedeckt, gemauert ist es nicht,
Noch können Regen und Sonnenschein
Von oben und überall herein;
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dem wird sie je vergessen; und diese Hand, auf deren Wunde
du deine mütterlichen Lippen drücktest, wird einstens gewiß dein
graueö Haar niit Rosen- und Myrtenkränzen zieren."
In schweigendem Entzücken traten nun die Gatten, von
ihren Kindern begleitet, in die Stube, durch deren Fenster eben
die untergehende Sonne den einladenden Tisch mit ihrem Rosen-
schimmer röthete, und der Säugling in der Wiege sah mit weit
offnen Augen ruhig um sich, und lächelte den glücklichen Eltern
entgegen. Starke.
73. Die Mutter.
Zn der Gegend von Rocroy arbeitete im Juni 1813 eine
Bäuerin auf dem Felde, und hatte unterdeß ihren Säugling in
den Schatten eines nahen Gebüsches gelegt, wo das Kindlein
süß schlummerte. Plötzlich hört sie etwas rascheln, blickt hin,
und sieht einen Wolf hervorspringen, der so eben den Rachen
aufthut, um das Kind zu greifen und zu fressen. Aber eben so
schnell springt die Mutter herzu, stürzt sich auf die Bestie und
es beginnt ein heftiger und langwieriger Kampf. Endlich gelingt
es der Frau, eine Scheere, ihre einzige Waffe, dem Wolf in
den Leib zu stoßen. Er ist tödtlich verwundet, heult, weicht,
wankt, stürzt nieder. Nun schließt die Mutter ihr gerettetes
Kind in die Arme; ihre Kräfte sind aber erschöpft, die Sinne
vergehen ihr, und, wie todt, sinkt auch sie zur Erde. — Unter-
dessen waren die Nachbarn herbei geeilt und leisteten der Ohn-
mächtigen alle mögliche Hülfe; aber sie gab kein Zeichen des
Lebens mehr von sich, was man auch aufbot, sie wieder zu sich
selbst zu bringen. „Legt ihr das Kind an die Brust!" rief endlich
eine alte Frau. — Kaum war dieß geschehen, so athmete die
Hingesunkene wieder, schlug dann freudig die Augen auf, blickte
ihr Kind an und dann dankbar empor gen Himmel. „Das
wußte ich wol!" sagte die Alte, „ich bin auch Mutter gewesen."
Chr. Niemepcr.
74. Der Mend vor einem Festtage im Hause einer
rechtschaffenen Mutter.
Gertrud, die Frau eines Maurers zu Bonnal, war noch
allein bei ihren Kindern. Die Vorfälle der Woche und der
kommende festliche Morgen erfüllten ihr Herz. Zn sich selbst
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135
O, kehrst du niemals, niemals wieder,
Du selige Vergangenheit?
Du unvergeßlich theure Stätte! '
— Und wär's ein Häuschen arm und klein —
Und wenn ich Gold und Burgen hätte,
In süßer Rührung dächt' ich dein!
Du heilig Haus, geliebt vor allen!
Wir denken dein in Leid und Glück,
Und wohnten wir in Marmorhallcn,
Wir denken doch an dich zurück. Kaltcnbrenner.
70. Die Lebensführer und Erzieher.
Gott hat den Menschen auf seiner Pilgrimmschaft durch
dieses irdische zum ewigen Leben mancherlei Führer gegeben:
dw Eltern und die Lehrer, das eigene Gewichen, das Buch der
Natur, das Buch der Geschichte der Menschen, das heilige Bi-
belbuch und den werthen, heiligen Geist. Sie sollen uns füh-
ren, leiten, bewahren, behüten, erretten, uns unsre leiblichen und
geistigen Kräfte zur Ehre Gottes gebrauchen lehren, uns tüchtig
machen für Zeit und Ewigkeit. Merke auf sie, höre auf ihre
Stimme, laß dich leiten, führen, behüten, erretten, werde ein
tüchtiger Erden- und einst ein seliger Himmelsbürger, Alles zur
Ehre Gottes.
Zn die Vater- und Mutterarme hat Gott den Menschen
schon als zartes Kindlein gelegt; die Eltern sind die ersten und
gröfesten Wohlthäter der Kinder hier auf Erden. Ihnen
verdankt es nächst Gott sein Leben; in banger Stunde und unter
Schmerzen ist es von der Mutter geboren, und hat diese mit
dem eigenen Leben oft das Leben des Kindes erkauft; im
Schweiße des Angesichts arbeiten Vater und Mutter, um dem
Kinde auch Alles das zu erwerben, was es bedarf zu seines
Leibes und Lebens Nahrung und Nothdurft. Ja nicht
bloß das, was es zur Erhaltung des Lebens bedarf, sondern
auch Alles, was das Leben erst zum Leben macht, was das
menschliche Leben von dem thierischen unterscheidet, verdankt es
den Eltern: sie haben es nicht bloß geboren, sie erziehen es
auch, übergeben es der Schule und Kirche, damit es nicht
bloß die Welt, sondern auch Gott und den Erlöser kennen
lerne Joh. 17, 3., sorgen nicht bloß für sein leibliches
Wohl, indem sie es eine bestimmte Berufsarbeit erlernen
lasten, sondern auch für die geistige und ewige Wohlfahrt
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136
desselben, indem sie es in der Zucht und Vermahnung
zum Herrn erziehen. Ephes. 6, 4. Darum: 2 Mos. 20, 12:
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Sir. 3, 9.:
Ehre sie mit der That, mit Wort und Geduld. Denn des
Vaters Segen rc. Und weiter: Sir. 7, 29. 30. Ephes. 6,
1—8. 1 Tim. 5, 4. und Sir. 3, 14.
71. Das Bild der Mutter.
Meine Mutter war ein Bild der Liebe, der Demuth und
der stillen Gottergebenheit, wie kaum eine andere Frau, welche
ich gesehen habe. Das war eine Liebe, welche wenig Worte
machte, sondern immer nur in ihrem Herzen sprach: Herr Jesu!
ich, deine arme Magd, will ganz deine sein; hier bin ich, leite
du mich nach deinem Wohlgefallen. Dieser stillen Seele schien
Alles, was dem Zorn, dem Haß, ja nur dem heftigen Unwillen
gleichet, gänzlich ftemd, ja unmöglich zu sein: und ich habe nie
ein hartes Wort über ihre Lippen gehen hören. Wenn der
Vater, in dessen Natur eine starke Anlage zu heftigen Aufwal-
lungen lag, je zuweilen aus menschlicher Schwäche auch ein heftiges
Wort gegen sie sprach, da schwieg sie wie ein Lamm, that ihren
Mund nicht auf. Mit den Dienstboten und Arbeitern zankte
sie nie, sondern verwies ihnen das, was unrecht war, mit sanf-
tem Ernst. Sie urtheilte nie hart über einen abwesenden
Menschen, und mochte dieß Urtheilen auch an Andern nicht
leiden. Und dennoch hat wol selten eine Frau in ihrer ganzen
Umgebung so viel willige Unterwürfigkeit und Gehorsam, so viel
Ehrfurcht und Liebe gefunden als diese. Viele rohe Dienstboten
wurden in ihrem Haushalte gar bald sanft und gut und von
dem Geiste der Gottesfurcht, des Fleißes und der Ordnung
ergriffen, der von der Frau des Hauses ausging. Unser lieber
Herr hat unter seinen Menschen zuweilen Gefäße bereitet, durch
welche er nur wohlthun und segnen, gar nicht strafen will. Ein
solches Gefäß der Liebe und des Segens war meine Mutter.
Sie vermochte selbst uns Kinder nicht auf die gewöhnliche Art
zu strafen; sondern dieses Strafamt übte der Vater stark und
kräftig; die Mutter aber ward durch unsere Unarten nur betrübt
und in sich gekehrt; und wenn wir Kinder dieß bemerkten, that
es uns weher, als des Vaters Zucht und Strafe; denn wir
hatten die Mutter gar lieb. Zuweilen aber, als die Kinder
größer, und den gewöhnlichen Strafen entwachsen waren, sprach
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